23

 

Er hatte nicht erwartet, dass sie zu ihm ging, als sie ihn dort stehen sah.

Jetzt, wo Dylan in seinen Armen war, ihr Körper von Weinen geschüttelt, fühlte Rio sich plötzlich vollkommen hilflos. In der Zeit, die er brauchte, um ihr durch die Stadt zu folgen, hatte sich in ihm eine ordentliche Menge Wut und Argwohn angestaut. Sein Kopf dröhnte von all dem Lärm und dem endlosen Menschengewimmel, wohin er auch schaute. Die hellen Lichter brachten seine Schläfen zum Hämmern, die Reizüberflutung stürmte auf all seine Sinne ein.

Aber nichts davon bedeutete noch etwas, in den langen Augenblicken, wo er dastand und Dylan hielt und spürte, wie sie vor namenloser Angst und Qual zitterte. Sie litt, und Rio verspürte das überwältigende Bedürfnis, sie zu beschützen. Er wollte sie nicht so schrecklich leiden sehen.

Madre de Dios, er hasste es, sie so zu sehen.

Er streichelte ihren zarten Rücken, presste den Mund auf ihren Kopf, dort, wo er unter seinem Kinn ruhte, und murmelte ruhige, tröstende Worte. Eine schwache Geste, aber das war alles, was ihm einfiel, um ihr zu helfen.

„Ich habe solche Angst, sie zu verlieren“, flüsterte sie. „Oh Gott, Rio ... ich hab solche Angst.“

Er brauchte nicht zu raten, von wem Dylan da sprach. Die Patientin, die im angrenzenden Raum schlief, hatte denselben hellen Hautton und dasselbe feuerrote Haar wie die jüngere Version, die Rio gerade in den Armen hielt.

Dylan sah mit tränenfeuchtem Gesicht zu ihm auf. „Bringst du mich hier weg, bitte?“

„Ich werde dich hinbringen, wohin du willst.“ Rio strich mit den Daumen über ihre Wangen, wischte die nassen Spuren fort. „Willst du nach Hause?“ Ihr trauriges kleines Lachen klang so gebrochen, irgendwo so verloren. „Können wir ... nicht einfach ein bisschen herumlaufen?“

„Klar.“ Er nickte und legte den Arm um sie. „Nichts wie raus hier.“

Sie gingen schweigend, zuerst zum Lift, und dann aus dem Krankenhaus in die warme Nacht hinaus. Er wusste nicht, wohin er mit ihr gehen sollte, also folgte er ihr einfach. Einige Häuserblocks vom Krankenhaus entfernt war eine Fußgängerbrücke, die zur East-River-Promenade führte. Sie überquerten sie, und wie sie so am Wasser entlanggingen, spürte Rio, wie entgegenkommende Fußgänger ihn anstarrten.

Sie warfen verstohlene Blicke auf seine Narben, und mehr als einer fragte sich ganz offensichtlich, was einer wie er mit einer Schönheit wie Dylan zu tun hatte. Eine verdammt gute Frage, und momentan hatte er auch keine zufriedenstellende Antwort darauf parat. Er hatte sie im Rahmen eines Auftrags in die Stadt gebracht - und der erlaubte weiß Gott keine solchen Umwege. Schließlich ging Dylan langsamer und blieb am eisernen Brückengeländer stehen, um über das Wasser zu sehen.

„Meine Mom ist letzten Herbst schwer krank geworden. Sie dachte, es wäre eine Bronchitis. Es war keine. Die Diagnose lautete Lungenkrebs, obwohl sie keinen einzigen Tag ihres Lebens geraucht hat.“ Dylan schwieg lange. „Sie liegt im Sterben. Das hat sie mir eben gesagt.“

„Das tut mir leid“, sagte Rio und blieb neben ihr stehen. Er wollte sie berühren, aber war nicht sicher, ob sie seinen Trost brauchte - ob sie ihn akzeptieren würde. Stattdessen begnügte er sich damit, eine lose Haarsträhne zu berühren, es war einfacher, so zu tun, als fing er die lose Strähne auf, damit die leichte Sommerbrise sie ihr nicht in die Augen wehte.

„Ich hätte gar nicht mitfahren sollen auf diese Europareise. Es hätte ihr großes Abenteuer mit ihren Freundinnen sein sollen, aber es ging ihr nicht gut genug, also bin ich für sie mitgefahren. Ich hätte gar nicht dort sein sollen. Ich hätte nie einen Fuß in diese verdammte Höhle gesetzt.

Und dich hätte ich nie getroffen.“

„Jetzt wünschst du dir, du könntest es rückgängig machen.“ Er fragte nicht, sondern stellte einfach etwas fest, was eine einfache Tatsache sein musste.

„Ich wünsche mir, dass ich es ungeschehen machen könnte, für sie.

Ich wünschte, sie hätte ihr Abenteuer gehabt. Ich wünschte, sie wäre nicht krank.“ Dylan wandte den Kopf und sah ihn an. „Aber ich wünsche mir nicht, ungeschehen zu machen, dass ich dich getroffen habe.“

Rio fehlten die Worte, so verblüfft war er von ihrem Eingeständnis.

Er hob die Hand an die weiche Linie ihres Kiefers und sah in ein Gesicht hinab, das so hell und schön war, dass es ihm den Atem nahm.

Und wie sie zu ihm aufsah ... als wäre er ein Mann, der ihrer würdig war, ein Mann, den sie lieben könnte ...

Sie stieß einen leisen, zitternden Seufzer aus. „Ich würde es alles sofort rückgängig machen, Rio. Aber nicht das. Nicht dich.“

Ah, Cristo.

Bevor er sich sagen konnte, dass es eine schlechte Idee war, beugte Rio den Kopf hinunter und küsste sie. Es war ein sanftes Aufeinandertreffen ihrer Münder, ein weiches Streifen ihrer Lippen, und es hätte ihn nicht so zum Brennen bringen sollen, aber er brannte. Und er schwelgte in ihrem süßen Geschmack, schwelgte darin, wie gut sie sich in seinen Armen anfühlte. Er sollte das alles nicht so sehr wollen.

Er sollte nicht dieses Verlangen spüren, diese zarte Zuneigung, die in ihm aufglühte, jedes Mal, wenn er an Dylan dachte. Er sollte sie nicht enger an sich ziehen und die Finger in ihrem warmen, seidenweichen Haar vergraben, während er sie tiefer in seine Umarmung zog, verloren in ihrem Kuss. Es dauerte lange, bis er ihn löste. Doch selbst, als er den Kopf wieder hob, konnte er nicht aufhören, ihr Gesicht zu streicheln. Er konnte sie nicht loslassen.

Eine Gruppe Jugendlicher schlurfte auf der Promenade an ihnen vorbei, halbwüchsige Raufbolde in übergroßen Sachen, sie redeten laut und rempelten einander im Gehen an. Rio behielt sie im Blick, sein Argwohn wuchs, als er der Gang zusah, wie sie am Eisengeländer stehen blieb und die Jungs abwechselnd ins Wasser spuckten. Sie wirkten nicht sonderlich gefährlich, aber schienen doch von dem Schlag zu sein, der immer auf Unfug aus ist. „Demetrio?“

Rio sah verwirrt zu Dylan hinunter. „Hmm?“

„Komm ich schon näher ran? An deinen richtigen Namen, meine ich ... heißt du Demetrio?“

Er lächelte und konnte nicht widerstehen, ihre sommersprossige Nasenspitze zu küssen. „Nein, so heiße ich nicht.“

„Okay. Nun, dann heißt du vielleicht ... Arrio?“, riet sie und strahlte im Mondlicht zu ihm auf, als sie sich etwas aus seinen Armen löste.

„Eleuterio“, sagte er.

Ihre Augen weiteten sich. „Eleo ... wie?“ „Mein vollständiger Name lautet Eleuterio de la Noche Atanacio.“

„Wow. Dagegen hört Dylan sich wirklich etwas banal an, was?“

Rio lachte leise. „Nichts an dir ist banal, das kann ich dir versichern.“

Ihr Lächeln war überraschend schüchtern. „Also, was bedeutet er - dieser wundervolle Name?“

„Frei übersetzt in etwa ,frei geboren aus der immerwährenden Nacht'.“

Dylan seufzte. „Das ist wunderschön, Rio. Mein Gott, deine Mutter muss dich angebetet haben, dir so einen Wahnsinnsnamen zu geben.“

„Das war nicht meine Mutter. Sie wurde getötet, als ich noch klein war. Der Name kam später, von einer Stammesfamilie, die in einem Dunklen Hafen in meiner Heimat lebte. Sie fanden mich und zogen mich auf wie ein eigenes Kind.“

„Was ist mit deiner Mutter passiert? Ich meine, du musst es mir nicht erzählen, wenn du ... Ich weiß, ich frage einfach zu viel“, sagte sie und zuckte entschuldigend die Schultern.

„Nein, es macht mir nichts aus, darüber zu reden“, sagte er und fand es bemerkenswert, dass es ihm damit wirklich ernst war.

Grundsätzlich redete er nicht gerne über seine Vergangenheit.

Niemand im Orden kannte die Einzelheiten über seine schreckliche Kindheit, nicht einmal Nikolai, sein bester Freund. Es hatte keinen Grund gegeben, mit Eva darüber zu reden, da sie sich in dem spanischen Dunklen Hafen getroffen hatten, wo Rio aufgewachsen war.

Sie kannte seine schmachvolle Geschichte.

Eva war so taktvoll gewesen, über die hässlichen Tatsachen seiner Geburt und die Jahre hinwegzusehen, die er als Findling verbracht hatte, in denen er getötet hatte, weil er musste, weil er es nicht besser wusste. Der junge Wilde, der er gewesen war, bevor man ihn in den Dunklen Hafen gebracht und ihm gezeigt hatte, wie man besser lebte als das Tier, zu dem er geworden war, um allein zu überleben. Rio wollte nicht, dass Dylan ihn ängstlich oder angewidert ansah, aber ein größerer Teil von ihm wollte ihr die Wahrheit sagen. Wenn sie seine äußerlichen Narben ansehen konnte und ihn nicht verachtete, war sie vielleicht auch stark genug, die Narben zu sehen, die sein Inneres verunstalteten.

„Meine Mutter lebte am Rand eines sehr kleinen Dorfes in der spanischen Provinz. Sie war noch ein Mädchen - vielleicht sechzehn -, als sie von einem Vampir vergewaltigt wurde, der zum Rogue mutiert war.“ Rio sprach leise, damit niemand mithören konnte, aber die Menschen, die ihnen am nächsten standen - die jugendlichen Rowdys, die sich in einigen Metern Entfernung immer noch auf der Promenade amüsierten -, hörten sowieso nicht zu. „Der Rogue hat sie gebissen, als er sie schändete, aber meine Mutter wehrte sich. Anscheinend hat sie ihn auch gebissen. Genug von seinem Blut kam in ihren Mund und danach in ihren Körper. Weil sie eine Stammesgefährtin war, resultierte die Kombination von Blut und Sperma in einer Schwangerschaft.“

„Du“, flüsterte Dylan. „Oh Gott, Rio. Wie schrecklich, was sie durchmachen musste. Aber immerhin hat sie dich doch geboren.“

„Es war ein Wunder, dass sie mich nicht hat wegmachen lassen“, sagte er, sah auf den schwarzen, glänzenden Fluss hinaus und erinnerte sich an die Qualen seiner Mutter über das grässliche Ding, das sie da geboren hatte. „Meine Mutter war ein einfaches Mädchen vom Land. Sie hatte keine Bildung, nicht im traditionellen Sinn jedenfalls oder in grundsätzlichen Lebensfragen. Sie lebte allein in einer Hütte im Wald, ihre Familie hatte sie verstoßen, lange bevor ich unterwegs war.“

„Warum?“

„Manos del diablo“, erwiderte Rio. „Sie hatten Angst vor ihren Teufelshänden. Du erinnerst dich, wie ich dir sagte, dass alle Frauen, die mit dem Mal der Stammesgefährtin geboren werden, auch besondere Gaben haben ... übersinnliche Fähigkeiten?“

Dylan nickte. „Ja.“

„Nun, die Gabe meiner Mutter war dunkel. Mit einer Berührung und einem konzentrierten Gedanken konnte sie töten.“ Rio stieß ein verächtliches Schnauben aus und hielt seine eigenen tödlichen Hände in die Höhe. „Manos del diablo.“

Einen Augenblick lang schwieg Dylan und musterte ihn nur. „Du hast dieselbe Fähigkeit?“

„Eine Stammesgefährtin vererbt ihren Söhnen viele Eigenschaften: Haar, Haut, Augenfarbe ... und ihre übersinnlichen Fähigkeiten. Ich glaube, wenn meine Mutter gewusst hätte, was genau in ihrem Bauch heranwuchs, hätte sie mich lange vor meiner Geburt getötet. Sie hat es später zumindest einmal versucht.“

Dylan runzelte die Stirn, und sie legte sanft ihre Hand auf seine, dort, wo sie auf dem eisernen Geländer ruhte. „Was ist passiert?“

„Es ist eine meiner ersten Erinnerungen“, gestand Rio. „Weißt du, Stammesbabys werden mit kleinen scharfen Fangzähnen geboren. Sie brauchen Blut, um zu überleben, sobald sie auf die Welt kommen. Und Dunkelheit. Meine Mutter muss das alles allein herausgefunden und es toleriert haben, denn irgendwie habe ich mein Säuglingsalter überlebt.

Für mich war es völlig normal, die Sonne zu vermeiden und mich am Handgelenk meiner Mutter zu nähren. Ich muss etwa vier Jahre alt gewesen sein, als ich zuerst bemerkte, dass sie jedes Mal weinte, wenn sie mich füttern musste. Sie verachtete mich - was ich war, und doch war ich alles, was sie hatte.“

Dylan streichelte seinen Handrücken. „Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie das für dich gewesen sein muss. Für euch beide.“

Rio zuckte die Schultern. „Ich kannte kein anderes Leben. Aber meine Mutter schon. An diesem besonderen Tag, als die Fensterläden unserer Hütte fest verriegelt waren, um kein Sonnenlicht durchzulassen, reichte meine Mutter mir ihr Handgelenk. Als ich es nahm, fühlte ich, wie sich ihre andere Hand um meinen Hinterkopf schloss. Sie hielt mich fest, und Schmerz durchzuckte meinen Kopf wie ein Blitzschlag. Ich schrie auf und öffnete die Augen. Sie weinte unter heftigen Schluchzern, während sie mich fütterte und dabei meinen Kopf in der Hand hielt.“

„Herr im Himmel“, flüsterte Dylan, sichtlich entsetzt. „Sie wollte dich mit ihrer Berührung töten?“

Rio erinnerte sich an seinen eigenen, sein tiefstes Innerstes erschütternden Schock, als er damals zum gleichen Schluss gekommen war - ein Kind, das entsetzt zusah, dass die einzige Person, der er vertraute, versuchte, sein Leben zu beenden. „Sie konnte es nicht“, murmelte er. „Was auch immer ihre Gründe waren, sie zog ihre Hände fort und rannte aus der Hütte. Zwei Tage lang sah ich sie nicht wieder. Als sie zurückkam, war ich halb verhungert und völlig verstört.

Ich dachte, sie hätte mich für immer verlassen.“

„Sie hatte auch Angst“, bemerkte Dylan, und Rio war froh, in ihrer Stimme keine Spur von Mitleid mit ihm zu finden. Ihre Finger waren warm und tröstlich, als sie seine Hand ergriff. Die Hand, von der er ihr eben erzählt hatte, dass ihre Berührung den Tod brachte. „Ihr beiden müsst euch so isoliert und allein gefühlt haben.“

„Ja“, sagte er. „Ich glaube, das taten wir. Es endete alles etwa ein Jahr später. Einige der Männer aus dem Dorf sahen meine Mutter, und sie erweckte offenbar ihr Interesse. Eines Tages tauchten sie bei der Hütte auf, als wir schliefen. Sie waren zu dritt. Sie traten die Tür ein und stürzten sich auf sie. Die Gerüchte über sie mussten sie gehört haben, denn das Erste, was sie taten, war, ihr die Hände zu fesseln, sodass sie sie nicht berühren konnte.“

Dylan stockte der Atem. „Oh Rio ...“

„Sie zerrten sie nach draußen. Ich rannte ihnen nach, versuchte, ihr zu helfen, aber das Sonnenlicht war grell. Es blendete mich für ein paar Sekunden, die mir vorkamen wie eine Ewigkeit, und die ganze Zeit schrie meine Mutter und bat sie, ihr und ihrem Sohn nichts zu tun.“

Rio sah immer noch die Bäume vor sich - alles war so grün und üppig gewesen, der Himmel über ihnen so blau ... eine Explosion von Farben, wie er sie nur in gedämpfteren Tönen sehen konnte, wenn er im Schutz der Nacht draußen war. Und er konnte immer noch die Männer vor sich sehen, drei riesige Männer, die sich bei der hilflosen Frau abwechselten, während ihr Sohn zusah, erstarrt vor Schreck und gefangen in den Grenzen seines fünfjährigen Körpers.

„Sie schlugen und beschimpften sie, gaben ihr schlimme Namen: Maldecido. Manos del diablo. La puta de infierno. Etwas in mir zerriss, als ich ihr Blut rot auf dem Boden sah. Ich sprang einen der Männer an.

Ich war so außer mir vor Wut, wollte, dass er unter Höllenqualen starb ... und das tat er. Sobald ich verstanden hatte, was ich da getan hatte, nahm ich mir den nächsten Mann vor. Ich biss ihm in den Hals und trank von ihm, während meine Berührung ihn langsam tötete.“

Jetzt starrte Dylan ihn an, sie sagte nichts, sondern stand nur ganz still da.

„Der Letzte sah auf und sah, was ich getan hatte. Er gab mir dieselben Namen wie meiner Mutter und fügte noch zwei neue Beschimpfungen hinzu, die ich noch nie gehört hatte: Comedor de la sangre. Monstruo. Bluttrinker. Monster.“ Rio stieß ein brüchiges Lachen aus. „Bis zu diesem Moment wusste ich nicht, was ich war. Aber nachdem ich den letzten der Angreifer meiner Mutter getötet hatte und sah, wie sie auf dem sonnenhellen Gras im Sterben lag, schien plötzlich ein Wissen, das tief in mir verborgen war, zu erwachen und sich zu erheben. Ich verstand endlich, dass ich anders war und was das bedeutete.“

„Du warst nur ein Kind“, sagte Dylan weich. „Wie hast du danach überlebt?“

„Eine Weile habe ich gehungert. Ich versuchte, mich von Tieren zu nähren, aber ihr Blut war wie Gift. Meinen ersten Menschen habe ich etwa eine Woche nach dem Angriff erlegt. Ich war wahnsinnig vor Hunger, und ich halte keine Erfahrung darin, Nahrung zu suchen. In diesen ersten Wochen, die ich allein war, habe ich mehrere unschuldige Menschen getötet. Ich wäre wahrscheinlich zum Rogue geworden, aber dann geschah so etwas wie ein Wunder. Ich war gerade auf Pirsch in den Wäldern, als plötzlich ein riesiger Schatten aus den Bäumen herauskam. Es war ein Mann, dachte ich, aber er bewegte sich so schnell und so ausdauernd, dass ich ihn kaum im Blick behalten konnte. Auch er war auf der Jagd. Er verfolgte den Bauern, dem ich nachpirschte, und mit einer Anmut, die mir völlig abging, brachte er den Mann zu Fall und begann, sich von der Wunde zu nähren, die er im Hals des Mannes geöffnet hatte. Er war ein Bluttrinker, genau wie ich.“

„Was hast du getan, Rio?“

„Ich sah fasziniert zu“, sagte er und erinnerte sich so deutlich daran, als wäre es erst wenige Minuten her. „Als es vorbei war, stand der Mensch auf und ging davon, als wäre gar nichts Ungewöhnliches geschehen. Ich war völlig überrascht, und als ich Atem holte, bemerkte mich der Bluttrinker in meinem Versteck. Er rief nach mir, und nachdem er erfahren hatte, dass ich allein war, nahm er mich mit zu sich. Es war ein Dunkler Hafen. Ich traf viele andere wie mich und lernte, dass ich einer Rasse angehörte, die der Stamm genannt wurde. Da meine Mutter es nicht für nötig befunden hatte, mir einen Namen zu geben, gab mir meine neue Familie im Dunklen Hafen den Namen, den ich jetzt noch führe.“

„Eleuterio de la Noche Atanacio“, sagte Dylan, die Worte klangen viel zu süß, wenn sie sie aussprach. Ihre Hand, als sie sich sanft auf die vernarbte Seite seines Gesichts legte, fühlte sich viel zu tröstlich an.

„Mein Gott, Rio ... es ist ein Wunder, dass du überhaupt neben mir stehst.“

Sie kam noch näher zu ihm und sah hinauf in seine Augen. Rio konnte kaum atmen, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und sein Kinn zu sich hinunterzog, um ihn zu küssen. Ihre Lippen vereinten sich zum zweiten Mal in dieser Nacht ... und mit einem Verlangen, das keiner von beiden verheimlichen konnte oder wollte.

Er hätte sie ewig so küssen können.

Aber genau in diesem Moment ertönte auf der stillen Promenade plötzlich das ohrenbetäubende Krachen und Donnern von Maschinengewehrsalven.

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